TRE für junge Eltern - wie können Eltern von TRE profitieren
- Marianne Gallizzi
- 2. Juni 2024
- 3 Min. Lesezeit
Eltern mit Babys und kleinen Kindern stehen vor der Herausforderung, dass jeder Tag anders verlaufen kann und Planung nur bedingt möglich ist. Die gewohnten Strukturen laufen oft aus dem Ruder und die Bezugspersonen lernen sich dann häufig selbst von einer ganz anderen Seite kennen. Schlafmangel, ständige Präsenz und heftige, unerwartete Gefühlsausbrüche der Kinder können die Regulation von Eltern ganz schön ins Ungleichgewicht bringen. Viele Bezugspersonen von kleinen Kindern laufen dann zumindest eine Zeitlang am Limit und denken gar nicht mehr daran, auch für sich selbst, z.B. auch für ihre körperliche und seelische Gesundheit gut zu sorgen. Je weniger im Lot sich die Erwachsenen fühlen, desto schwieriger wird es, sich ruhig und mit offenen Herzen dem kleinen Kind zuzuwenden.
Hier beginnt oft ein ungünstiger Zyklus der sich gegenseitig bedingenden Stress-Ansteckung bzw. der nicht mehr stattfindenden Co-Regulation.
Das kindliche Nervensystem schwingt noch zum grossen Teil mit demjenigen der Bezugspersonen. Das kleine Kind lebt noch in einem Modus der Gefühlsansteckung, weil es sein Ich noch nicht als unabhängig von der Mutter differenzieren kann. Das geschieht erst im Laufe der ersten Lebensjahre, und damit das gut gelingen kann, braucht es ein Gegenüber, das diese verletzlichen Prozesse aus einem regulierten Erwachsenenbewusstsein begleiten kann. Das Kind ist auf feinfühlige Co-Regulation angewiesen, um das kindliche Stresstoleranzfenster sukzessive zu erweitern.
Wenn Eltern so erschöpft oder so gestresst sind, dass sie sich selber nicht mehr gut beruhigen können und dann das Gefühl kommt, dass das Kind sie auch noch braucht, wird es ungemütlich. Als Erwachsene stehen wir manchmal genau vor diesem Thema: Es ist nicht einfach, sich selbst gut und rasch zu regulieren, wenn wir das als kleine Kinder nicht oder nur unzureichend von unseren Bezugspersonen erfahren haben und die gegenwärtigen Anforderungen hoch sind. Vielleicht signalisiert uns dann unser Bauchhirn sogar Gefahr, wenn unser kleines Kind so stark weint oder wir das Gefühl haben, dass unser Kind sich aggressiv oder abwehrend verhält.
Wenn unser Nervensystem in einem Modus kommt, indem wir Gefahr wittern - und das passiert biologisch ganz autonom, dann wird unser Kampf oder Fluchtverhalten aktiviert oder eventuell sogar ein uns »Wegbeamen« - ein Dissoziieren aus der unerträglichen Situation. In diesem Fall ist in unserem autonomen Nervensystem der sogenannte Sympathikus oder eventuell sogar der dorsale Vagus aktiviert. Für Verbindung mit uns selbst und mit unserem Kind brauchen wir aber, dass der ventrale Vagus aktiv ist. Ist dieser Teil des Nervensystems aktiv, dann drücken wir über unsere Stimme, unsere Mimik und unsere körperliche Präsenz und Zuwendung aus, dass wir DA sind, im Hier und Jetzt, ganz beim Kind, und wir fühlen uns verbunden. Wenn Eltern dem kleinen Baby diesen Zustand so oft wie möglich zur Verfügung stellen können, kann auch das Baby sein ventrales Vagussystem, das System der sozialen Zugewandtheit, funktionsfähig ausbilden.
Es ist der Zustand, den wir für Co-Regulation brauchen und der durch die innige Verbundenheit, die wir dann wahrscheinlich spüren, auch unser Hormonsystem beeinflusst. Es werden bindungsstärkende Botenstoffe ausgeschüttet. Ein Kreislauf der Sicherheit und des Wohlbefindens bei der erwachsenen Bezugsperson und beim Kind beginnt.
Was bringt nun TRE für diesen Kreis der Sicherheit und des Wohlbefindens und vielleicht sogar für den Bindungsaufbau?
Mit TRE können Eltern einerseits körperliche und seelische Anspannung aus ihrem Nervensystem lösen und sich wieder in einem Zustand der Selbstverbundenheit wahrnehmen.
TRE stärkt den Zugang zu einem präsenten DA-Sein und sich im eigenen Körper zuhausezu fühlen, sich neugierig und wohlwollend dem eigenen Körperempfinden zuzuwenden.
Ein nährender Körperkontakt ist in den ersten Lebensjahren für das Kind elementar für seine gesunde Entwicklung, sein Rausgehen in die Welt und für den Aufbau einer sicheren Bindung. Eltern, die einen bewussten und freundlichen Zugang zu ihrem Körper haben, können dem kindlichen Bedürfnis dann anders begegnen als Eltern, die sich ihrem Körper entfremdet fühlen.
Das neurogene Zittern bietet den Bezugspersonen eine einfache und praktikable Möglichkeit, Stress aus dem Hier und Jetzt, aber auch »alten« gespeicherten Stress jederzeit abzuschütteln und wieder in eine Homöstase zu kommen.
Gleichzeitig begünstigt das Praktizieren von TRE auch eine Rhythmisierung, das Empfinden, dass wir uns in einer immerwährenden Hin- und Herbewegung befinden und wir uns dieser Bewegung ein Stück weit anvertrauen dürfen. Diese Erfahrung von einem autonomen Rhythmus kann stärkend darauf wirken, dass Eltern den stetigen Wandel, den Kinder zeigen und auch einfordern, entspannter und in Vertrauen begleiten können.
Meine Erfahrung ist, dass es grossen Einfluss auf das Familienleben hat, wenn Eltern ihre Fähigkeiten zur Selbstregulation wiederentdecken und diese Kompetenz für das Miteinander einbringen können. Für Bindung braucht es ein gut reguliertes Gegenüber. Eine gut regulierte erwachsene Person ermöglicht dem Kind, seine Gefühlswelt durch die Bezugsperson gehalten zu erfahren und die Erfahrungen als stimmig zu integrieren.
TRE kann für Eltern eine entwicklungsunterstützende und auf vielfältige Weise bereichernde Selbsthilfemethode sein, die ihnen nicht nur hilft, Stress ab- und die Bindungsbereitschaft damit aufzubauen, sondern auch den Lebensveränderungen durch das Elternsein gelassener und vertrauensvoller zu begegnen.
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